Geistliches Wort
Alleine
Sie sitzt alleine am Fenster. Sie schaut aus dem warmen Zimmer hinaus in die trübe und kalte Witterung. Das Kaffeegeschirr steht noch unbenutzt auf dem Tisch. Wieder ist kein Besuch gekommen. Die extra gekaufte Eierschecke ist und bleibt unangerührt. Obwohl die Heizung an ist, ist es ihr kalt, sie fröstelt innerlich, denn sie sitzt allein in ihrer Wohnung. Keiner ihrer Verwandten oder ihrer Sportfreundinnen ist vorbeigekommen. Dabei hatten sie ihr doch gesagt, wir besuchen Dich. Wir lassen Dich nicht allein. Doch nun sitzt sie – wie so häufig – alleine und einsam und starrt aus dem Fenster. In der Hoffnung, dass doch noch jemand kommt. Ihr fehlen die Gesprächspartner, nach dem Tode ihres Partners. Alles ist viel zu ruhig und die Stille ist unerträglich. Ein Mensch fehlt. Eine einmalige Persönlichkeit. Sein Lachen, seine Gegenwart, seine Meinung. Nichts ist wie vorher. Ein Mensch fehlt. Es tut weh, diesen Verlust zu empfinden. Das Fehlen wird als Lücke gespürt. Sie selber sei dünnhäutiger geworden, sagen die vereinzelten Besucher, die immer seltener anrufen oder vorbeikommen. Das Leben müsse doch weitergehen, hört sie. Die Kreuzwege des Lebens, die gehen wir ganz allein, dies empfindet sie ganz deutlich für sich. Sie ist verwundet und zieht sich zurück. Ob sie wieder die Energie findet, um Wege nach Außen zu gehen? Ob Freunde wieder den Mut finden, Wege zu ihr zu gehen? Diese zwei Fragen bleiben ebenso die Einsicht, dass Kreuzwege auch Lebenswege sind und zum Leben gehören. Im Leben machen wir immer wieder Erfahrungen mit dem Kreuz, mit Brüchen und Verlusten. Hoffentlich entdecken wir auch, dass unser Leben gekreuzt wird von unseren Mitmenschen und von Gott. Das wir in schweren Zeiten Halt und Unterstützung finden: Den Himmel in uns tragen und selbst in schweren Zeiten das Blühen erleben, weil es hinter uns her blüht und wir auch in unseren Sorgen geborgen sind. „Du tust mir kund den Weg zum Leben“ so schreibt der Beter von Psalm 16 und drückt seine Hoffnung damit aus, dass es Wege für mich gibt und dass diese Wege gekreuzt sind mit Erfahrungen der Nähe von Mitmenschen und von Gott. Oder um es Worten des Theologen und Philosophen F.D. E. Schleiermacher aus dem Jahre 1800 zu sagen: „Sorge Dich nicht um das, was kommen mag, weine nicht um das, was vergeht; aber sorge, Dich nicht selbst zu verlieren, und weine, wenn Du dahintreibst im Strome der Zeit, ohne den Himmel in Dir zu tragen.“ Christof Jochem, evang. Pfarrer in Oschatz, Kirchgemeinde Oschatzer Land |
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